In Wien nutzte er u.a. die Zeit quasi als Sabbatical Year, indem er endlich die Zeit fand, sich mit grundlegender gesangstechnischer Arbeit zu beschäftigen, neues Repertoire auszuprobieren oder kommende Partien in Ruhe vorzubereiten. Liviu Holenders Können ist ohnehin vielseitig, er studierte neben Jura sowohl Klavier als auch Klarinette und natürlich Gesang. Er war Ensemblemitglied am Münchner Gärtnerplatztheater, steht seit der letzten Saison bei der Oper Frankfurt unter Vertrag und hätte – ohne Covid-19 – im Juni 2002 unter Zubin Mehta sein Debüt an der Mailänder Scala als Silvano in „Un ballo in maschera“ gegeben.
Was macht ein normalerweise vielbeschäftigter Künstler in Corona-Zeiten? Wie übersteht man eine Zeit ohne Auftritte, ohne Publikum? Für Liviu Holender steht fest, dass ein Künstler das Publikum braucht, genauso wie das Publikum Künstler braucht. Es ist ein gegenseitiger Energieaustausch, beide Seiten bereichern und inspirieren sich. Er ist davon überzeugt, dass man „das Einmalige des live-Erlebnisses nicht durch Live-Streams simulieren kann.“ Darüber hinaus sei streamen eine gute Erfindung, um ein breites Publikum zu erreichen, neugierig zu machen, vielleicht ein neues Publikum für Opern zu gewinnen – aber „ein Ersatz kann es niemals werden, zumal neben dem bereits angesprochenen Live-Austausch auch die Größe und Projektion des Stimmklangs eine wesentliche Bedeutung hat, die beim Streaming komplett fehlt“. Darüber hinaus könne sich dabei auch noch der Gedanke einschleichen, dass Kunst kostenlos sei. Eine Befürchtung, die von vielen Kunstschaffenden geteilt wird.
Liviu Holender hat in vielen Opernhäusern zahlreiche Partien gesungen, darunter Leone („Tamerlano“), Steuermann („Tristan und Isolde“), Moralès/Dancaïro („Carmen“), Masetto („Don Giovanni“) oder Marullo („Rigoletto“) und überzeugt das Publikum auch auf dem Konzertpodium mit seinen Liederabenden. Was die Tiroler Festspiele Erl betrifft, so dürfen sich die Gäste der Winterfestspiele auf ihn freuen: Er gastiert erneut beim Silvesterkonzert, das in diesem Jahr den Operettenmelodien Leo Falls gewidmet ist, darüber hinaus wird er in Donizettis „Don Pasquale“ den Dottor Malatesta singen. Auch wenn er nicht glaubt, dass Covid-19 die Kulturwelt groß verändern wird, vermutet er doch, dass es Zeit brauchen wird, bis sich wieder ein großes Publikum auf kleinem Raum nebeneinander zu sitzen traut. Als weitere Folge der Pandemie glaubt er auch, dass der Kampf um die Rollen ein größerer sein wird. Einen positiven Aspekt kann er der Krise jedoch auch abgewinnen: „Vor allem freie Sänger sind näher zusammengerückt, sie haben ein gemeinsames Bewusstsein im Kampf für die Kultur entwickelt und sprechen gemeinsam mit Theaterleitern und politischen Vertretern Probleme an.“ Und wie hält er sich fit in dieser Zeit des social distancing? Durch körperliche und geistige Bewegung, z.B. Gartenarbeit und Schach, durch intensive Gesangsübungen, die Arbeit an seiner Doktorarbeit – und durch die Hoffnung, bald wieder mit seinen Kollegen zu musizieren.