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24.02.2022
"Tränen, Ängste, Träume, Spott" - Roland Böer über das Programm des Eröffnungsabends der Klaviertage
Unter der musikalischen Leitung des Dirigenten Roland Böer eröffnet das Orchester der Tiroler Festspiele Erl am 08. April 2022 die diesjährigen Klaviertage mit Musik von Liszt, Haydn und Schostakowitsch. Wir haben den Dirigenten gebeten, uns seinen persönlichen Blick auf dieses besondere Programm in Worte zu fassen.

"›Malédiction‹ (Verfluchung) lautet die erste von vier Eintragungen, die der junge Franz Liszt 1833 in der Partitur seiner später so betitelten einsätzigen Komposition für Klavier und Streichorchester festhält. ›Pleurs-angoisses-rêves‹ (Tränen, Ängste, Träume), ›orgeuil‹ (Hochmut) und ›raillerie‹ (Spott) definieren weitere programmatische Themenfelder. Deren dramatische Entwicklung in rhapsodisch freier Form und der virtuos ausgearbeitete Solopart vereinen erstmals den Gestus eines Klavierkonzerts mit den Charakteristika der Symphonischen Dichtung.

Gut 20 Jahre später schickt Franz Liszt einige neue Kompositionen an Clara Schumann. Eine Sonate ist darunter, Robert Schumann im Gegenzug für dessen C-Dur-Fantasie gewidmet. Brahms wird hinzugebeten, um sie vorzuspielen. ›Schaurig‹, und ›nur noch blinder Lärm‹ sei das, schreibt Clara 1854 in ihr Tagebuch. Heute gilt die Sonate h-moll als eines der bedeutendsten, technisch anspruchsvollsten Klavierwerke der Romantik und als ein Höhepunkt im Œuvre des Komponisten.

Als ›sehr delicat‹ hingegen bezeichnet Franz Joseph Haydn selbst seine Sinfonie Nr. 95 c-Moll. Geschrieben Anfang 1791, tritt sie aus den Schatten der Vorahnung des nahenden Todes seines Freundes hinaus in das strahlende Licht glühender Bewunderung für den geliebten, ihm einst nacheifernden Mozart. Auffallend ist in der Variationenfolge der Einsatz eines Solo-Cellos. Sollte Adam Liszt, Vater von Franz, der ja noch lange unter der Leitung von Haydn im Orchester von Esterházy spielte, ihn dazu inspiriert haben?

Dmitri Schostakowitsch nennt sein Konzert für Klavier und Orchester c-Moll ›eine spöttische Herausforderung an den konservativ-seriösen Charakter des klassischen Konzert-Gestus‹. Genau 100 Jahre nach ›Malédiction‹ geschrieben, ist es auch für ihn das erste konzertante Werk, wobei erwähnenswert bleibt, dass es zunächst als Trompetenkonzert, dann als Doppelkonzert konzipiert, und schließlich als Klavierkonzert mit konzertierender Trompete vollendet wurde. Wo bei Liszt ernste und tiefe Gefühle im Vordergrund stehen, dreht sich hier alles um Parodie und Persiflage als Stilmittel der Satire. So begegnen wir verfremdeten Zitaten aus Beethovens ›Appassionata‹, Haydns Klaviersonate D-Dur und Beethovens Rondo ›Die Wut über den verlorenen Groschen‹. Das Zitat des österreichischen Volksliedes ›O Du lieber Augustin‹ aber ist von besonderer Aktualität. Augustin wird, stark alkoholisiert und für tot geglaubt, in ein Massengrab von an der schwarzen Pest Gestorbenen geworfen, erwacht putzmunter, ohne sich an den hochinfektiösen Leichen angesteckt zu haben, und beginnt, als neuzeitlicher Orpheus auf seinem Dudelsack zu spielen. Wie Haydns Sinfonie endet auch diese musikalische Reise in lapidarem C-Dur."

Roland Böer

Tickets für das Konzert "Liszt, Haydn, Schostakowitsch" am Freitag, den 08. April 2022 finden Sie HIER.

Das gesamte Programm der Klaviertage 2022 vom 08. - 10. April 2022 finden Sie HIER