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31.08.2024
„Nur Freude“ – Chefdirigent Asher Fisch im Interview
Anlässlich des Beginns seiner Tätigkeit in Erl trafen wir Asher Fisch in seinem Wohnsitz im Chiemgau zum Gespräch. Lesen Sie hier über seinen Enthusiasmus des Neubeginns und was eine Brahms-Klaviersonate mit Orchestererziehung zu tun hat.

Wenn man als Dirigent zum ersten Mal ein Orchester trifft, ist das nicht wie ein erstes Date?

 Ja, wenn man ein Orchester für eine Woche für ein Projekt zum ersten Mal trifft, dann ist das sogar wie ein „blind date“. Aber wenn das Versprechen für fünf Jahre gilt, so wie in Erl, dann ist das viel komplizierter, eher Ehe „wie damals“, als sich die Eheleute nicht kannten.

Bist Du nervös?

Nein, überhaupt nicht, ich habe das Orchester gehört, ich habe es erlebt  und freue mich riesig. Natürlich, ich muss das jetzt steuern, aber die Musiker:innen sollen sich nicht fürchten. Ich liebe es, Talente herauszulocken, zu inspirieren. Also: Null Angst, nur Freude!

Bei der Arbeit und der „Erziehung“ eines Orchesters gibt es immer verschiedene Motivationen, bei Dir erlebe ich aber immer, dass es nur um die Musik geht, richtig?

Es muss schon sehr viel passieren, damit ich mich nicht mehr auf die Musik konzentriere. Es geschieht sehr selten, dass ich mich über Außermusikalisches ärgere oder Beziehungen im Orchester eine Rolle spielen.

Nun lebst Du hier seit ein paar Jahren ganz in der Nähe, ist es etwas Neues für Dich, am Ort Deiner Arbeit auch zu leben? 

Wenn du viel arbeitest als Dirigent, dann ist es eine Rarität, eine Aufgabe zu finden, die 35 Minuten von deinem Zuhause stattfindet. Das gibt es eigentlich nicht, die Arbeit ist immer mit Reisen, mit Jetlag verbunden und es ist für mich ein großes Glück, dass meine Hauptaufgabe nun sozusagen „vor der Haustür“ stattfindet.

Das Programm der Orchesterkonzerte ist sehr vielfältig. Ist das sozusagen dein „Gusto“ oder spielen da andere Faktoren eine Rolle?

Nein, das ist nicht allein mein Gusto: In Amerika, Australien oder Israel haben die Orchester keine Wagner- und Strauss-Erfahrung, sie spielen kaum Bruckner, und das hört man im Klang der Orchester. Aber fast alles, was wir spielen, ist auf diesem Klang basiert. Du musst auf Grundlage der Quellen arbeiten. So ist „Eroica“ von Beethoven eigentlich der Ausgangspunkt aller symphonischen Klangentwicklung.

Hier in Erl spielt das Orchester wunderbar Wagner, also muss ich das hier nicht zur Klangentwicklung ansetzen. Schumann ist für mich sehr wichtig. Wagner hat über ihn gesagt, seine Symphonien seien „orchestrierte Kammermusik“. Und das gefällt mir besonders. Ich wünsche mir im Musizieren immer eine Freiheit, wie ein Pianist.

Nach einem Klavierabend mit Radu Lupu und der dritten Sonate von Brahms hatte ich am nächsten Tag die dritte Symphonie von Brahms zu dirigieren. Da hab‘ ich mir gedacht: Warum kann ich nicht mit Orchester so frei eine Symphonie von Brahms spielen, wie der Radu Lupu diese Sonate spielt? Eigentlich muss es möglich sein, die Musik von Brahms oder Schumann ist eigentlich frei! Also probiere ich das einfach immer wieder, mit dem Orchester diese Art von Rubato zu erzielen, wie bei einem Klavierstück.

5 Jahre hast Du gemeinsam mit dem Orchester vor Dir, wo geht der weite Blick hin?

Die Idee von Gustav Kuhn, die Persönlichkeit des Klangkörpers zu bilden, zu bewahren, zu entwickeln, war genial und richtig. Wir haben heutzutage diesen Kontakt zwischen Orchestern und Dirigenten verloren, wir haben so viel zu tun, wir dirigieren, wir reisen, wir fahren weiter, das war‘s. In meinem Alter aber hat man eigentlich mehr Interesse daran, ein Orchester zu bauen, sowohl im Klang und als auch in der Art zu musizieren. Und das geht nur, wenn man viel Zeit mit dem Orchester verbringt

Man spürt im Gespräch förmlich Dein Brennen für Entwicklung und – nennen wir es – Erziehung! Gibt es da noch weitere Bereiche, in denen Du etwas bewegen möchtest?

Für mich ist es wichtig, etwas für Operndirigenten zu tun. Das ist ein Metier, das viele versucht haben, ohne das Hadnwerk zu erlernen. Im symphonischen Bereich kann auch ein guter Musiker ohne Technik vor dem Orchester reüssieren. Aber für die Oper braucht man ein anderes Rüstzeug. Das möchte ich schon etablierteren Dirigenten vermitteln.